Liebe Schwestern, liebe Brüder.
Es gibt einen alten Brauch der noch in einigen Kirchen bei der Taufe praktiziert wird. Gleich nach dem Akt der Taufe, bekommt der Täufling ein anderes Gewand, eine andere Kleidung, die nicht von der Familie kommt (vielleicht noch das Kleidchen der Oma), sondern von der Gemeinde. Damit soll ganz konkret gezeigt werden, dass der Täufling nun in ein neues Verhältniss tritt und von der Gemeinde aufgenommen wird. Übrigens, das andere Gewand, die andere Kleidung kommt auch in unserem Evangelium vor. Der Vater umgibt seinen verloren Sohn mit einem sauberen Gewand.
Warum erzähle ich das? Weil im Text des Apostels Paulus von einer neuen Kreatur die Rede ist. Ich lese aus dem ersten Korintherbrief, Kapitel 5, die Verse 17 bis 21.
Wer in Christus ist, ist neue Kreatur. Wer in Christus ist, steht in einem neuen Verhältniss zu Gott und zu seinen Mitmenschen, weil in Christus Versöhnung geschieht. Wir wissen es aus der Geschichte und besonders aus der Religionsgeschichte wie die Menschen immer wieder Möglichkeiten erfunden haben sich mit der jeweiligen Gottheit zu versöhnen. Opfer aller Arten, sogar Menschenopfer, grosse Fastenzeiten, Bussgelder. Ablassbriefe. Das Volk des Alten Testamentes kennt noch das Tieropfer, aber hier wird die Dimension des Dankes immer deutlicher. Trotzdem kritisiert Jesus das Opfer sehr scharf. Und wir verdanken es Martin Luther, dass er die gnädige Versöhnung Gottes wiederentdeckt hat. Das sollen auch die neuen Gewänder zeigen: Zuerst versöhnt Gott seinen Menschen und seine Schöpfung mit sich und miteinander. Wir Menschen können diese Versöhnung nur von Gott in Christus bekommen, wir können nur hineingenommen werden in eine neues Verhältniss zu Gott und zu den Menschen.Das nennt Paulus die “neue Kreatur”. Sie ist neu weil versöhnt!
Diese Versöhnung hat gewissermassen einen Hacken. Wer versöhnt ist kann diese Versöhnung nicht für sich behalten. Man kann sie nicht nur gebrauchen als ein religiöses Pflaster oder als eine Verziehrung für gewisse Momente in unserem Leben. Dann ist sie schon nicht mehr Versöhnung. Es ist so ähnlich wie das Mana in der Wüste: Es konnte nicht aufbewahrt werden, sondern musste immer gleich verteilt werden. Versöhnung kann ich nicht einfach für mich behalten. Anders gesagt: Ich kann nicht Gott dafür dass ich versöhnt bin danken und alles für mich behalten.
Der Apostel Paulus schreibt das Wort der Versöhnung durch Christus unter uns aufgerichtet wurde und “so sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns: (…) Lasst euch versöhnen mit Gott” (v. 20).
Martin Luther hat gesagt, dass wir Menschen zugleich Gerechte und Sünder seien. Gerecht (versöhnt!) durch Gott, Sünder weil der alte Adam weiterhin in uns lebendig ist. Wie lebendig er ist können wir an der Unversöhnung der Welt ablesen. Völker sind weiterhin verfeindet und bewaffnet, Menschengruppen sind verfeindet wegen Sprache oder Rasse, Familien kommen nicht miteinander zurecht aus so vielen Gründen, Eltern und Kinder liegen oft in Streit und Hass. Selbst die Kirchen sind nicht miteinander versöhnt solange die Trennungen die wir kennen da sind. Nicht zu vergessen ist, dass die Menscheit mit der Schöpfung Gottes in Unversöhnung lebt und die Natur ausraubt als wäre sie ewig.
Wie wir eben gehört haben, sind die Versöhnten zugleich Botschafter Gottes in der unversöhnten Welt. Anders gesagt: Wer sich auf die Versöhnung Gottes einlässt der hat diese Versöhnung weiterzugeben ganz im Sinne der Ermahnung des Paulus: Lasst euch versöhnen mit Gott!
Wir sind sicherlich nicht in der Lage die ganze Welt zu versöhnen oder die Kirchen miteinander. Aber dies können wir nicht als Ausrede gebrauchen um alles so zu lassen wie es ist. Wir haben sicherlich alle Hände voll zu tun um Versöhnung zu stiften in unseren eigenen Familien, in Nachtbarkreisen, in Gemeindekreise, in der Natur um uns herum. Wir haben die Aufgabe den Mantel der Versöhnung über Menschen und Natur zu hängen, wie der Vater über seinen verlorenen Sohn. Überall in der Welt gibt es schöne Zeichen dieser Versöhnung: Wo Menschen zueinander finden und wieder miteinander leben können, wo Arme, Alte, Kranke gepflegt werden, wo Kirchen und christliche Gruppen Programme aufbauen – ob grosse oder kleine Programme – die den Menschen ein sinvolles Leben ermöglichen, wo die Schöpfung Gottes bewahrt wird: Es gibt viele Zeichen die uns zeigen, dass es nich vergeblich ist als Versöhnte an Versöhnung zu bauen. Es stimmt schon: Manchmal möchtge man sich einfach zurückziehen wenn man sieht wie Bossheit und Hass an der Sache sind. Hier errinnere ich mich an das Wort eines deutschen Schriftstellers: “Ich möchte liebe in einer schlechten chrsitlichen Welt leben als in einer guten atheistischen Welt”.
Gott schenke uns Hoffnung, Mut um Freude für die Versöhnung einzutreten. Amen.
Harald Malschitzky, São Leopoldo